258 - Vollständiges Recycling von Faserverbundkunststoffen
Industrieabfälle wie Leiterplatten, Windkraftrotoren oder Autoteile aus duroplastischen Verbundwerkstoffen konnten bislang kaum vollständig recycelt werden. Forschende der TU Clausthal und der MPM Environment Intelligence GmbH haben ein Verfahren entwickelt, das erstmals eine vollständige chemische Rückgewinnung der wertvollen Komponenten ermöglicht.
Herausforderung
Faserverstärkte Epoxidharz-Verbundwerkstoffe – zum Beispiel mit eingesetzten Glas- oder Carbonfasern – sind in der modernen Industrie unverzichtbar. Sie sorgen für Leichtbau und hohe Festigkeit in Flugzeugen, Windenergieanlagen, Fahrzeugen, Sportgeräten oder Elektronik. Das Problem: Diese sogenannten Duroplaste sind extrem stabil und damit nach ihrer Nutzungsdauer praktisch nicht mehr stofflich verwertbar. Mechanisches Recycling ist kaum möglich – stattdessen landen Werkstoffe oft auf Deponien oder werden lediglich minderwertig weiterverarbeitet („Downcycling“). So gehen hochwertige Fasern und chemische Rohstoffe verloren, was nicht nur ökologisch problematisch ist, sondern auch wirtschaftlich. Besonders gravierend ist das Problem angesichts der weltweit zunehmenden Mengen solcher Verbundmaterialien.
Unsere Lösung
TU Clausthal und MPM Environment Intelligence GmbH haben gemeinsam das weltweit erste chemische „Eintopfverfahren“ entwickelt, mit dem Epoxidharz-Verbundstoffe vollständig in ihre Ausgangsstoffe zerlegt werden können. Das Kernstück des Prozesses ist der Einsatz von Borhalogeniden, insbesondere Bortrichlorid (BCl₃) oder Bortribromid (BBr₃), in geeigneten Lösungsmitteln. Bei moderaten Temperaturen und Drücken werden gezielt die chemischen Bindungen im Harz gespalten. So lassen sich sowohl Glas- oder Carbonfasern als auch die chemischen Grundbausteine des Epoxidharzes zurückgewinnen – etwa Bisphenol A oder Tetrabrombisphenol A. Sogar das eingesetzte Borhalogenid kann nach dem Prozess wiederaufbereitet und erneut verwendet werden. Das Verfahren arbeitet effizient und mit hohem Rückgewinnungsgrad: Bis zu 90 % der Fasern und 75–95 % der Harzbestandteile können zurückgewonnen werden.
Vorteile
- Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit: Wertvolle Fasern und chemische Bausteine kehren in den Produktionskreislauf zurück – echtes Upcycling anstelle von Downcycling oder Entsorgung.
- Hohe Ausbeute: Sehr hohe Rückgewinnungsquoten sowohl bei Fasern als auch bei Harzkomponenten.
- Breites Materialspektrum: Eignet sich für verschiedenste Verbundwerkstoffe, etwa aus Elektronikschrott, Autoteilen oder Windkraftrotoren.
- Sanfte Bedingungen: Der chemische Prozess benötigt nur moderate Temperatur- und Druckbedingungen, was Energie einspart und die Fasern schont.
- Schließung des Stoffkreislaufs: Auch das eingesetzte Borhalogenid kann im Prozess regeneriert und mehrfach verwendet werden.
Entwicklungsstand
Das Verfahren ist durch zahlreiche Laborversuche validiert und mit verschiedenen kommerziellen Verbundmaterialien (z.B. Leiterplatten, Windkraftflügel, Baustoffplatten) erfolgreich getestet worden. Sowohl die Rückgewinnung der Fasern als auch die Qualität der organischen Recyclate wurden analytisch bestätigt.
Kontakt
Mathias Liebing
Innovations- und Patentmanagement
Telefon: +49 5323 72-7754
E-Mail: mathias.liebing@tu-clausthal.de
Patentstatus
erteilt:
DE102019106524
CN202080020722
EP3938434
US12258452